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Die russischen und amerikanischen Venusmissionen
Nach der Landung der Russischen Venera-Sonde auf der Venus erschien die Prawda am nächsten Tag mit der martialischen Schlagzeile: "Neue Etappe bei der Besiegung des Kosmos". Das war typisch dumpfes sowjetisches Agitprop der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts. Mit Sicherheit waren solche Schlagzeilen einer der Gründe, weshalb die russischen Leistungen in der Weltraumforschung im Westen sehr skeptisch aufgenommen wurden. Man wollte den Russen einfach nicht abnehmen, dass ihre Erfolge im Weltraum nur hehren wissenschaftlichen Zielen dienten. Die Ergebnisse der russischen Venusforschung waren aber wirklich beachtlich.
Raumfahrttechnisch ist es viel schwieriger, die inneren Planeten zu erreichen. Die Anziehungskraft der Sonne macht nötige Bahnkorrekturen fast unmöglich. Daher muss die Flugbahn unbedingt schon beim Start stimmen. Nachträgliche Bahnkorrekturen sind so gut wie ausgeschlossen. Für die Venera-Sonden wurde deshalb extra eine neue zielgenaue Rakete entwickelt, an der auch die Militärs ihre Freude hatten.
Nach den Russen starteten die Amerikaner ihre erste Sonde zur Venus. Es war Mariner 1. Da sie vom Kurs abkam, musste die Rakete gleich nach dem Start gesprengt werden. Ein Jahr später, am 27. B. 1962, glückte der Start der Schwestersonde Mariner 2. Allerdings fiel ihre Funkverbindung immer wieder aus. Es dauerte dann oft mehrere Stunden, bis wieder Kontakt zu ihr hergestellt werden konnte. Mitte Dezember 1962 schwenkte sie in eine Umlaufbahn um die Venus ein. Bislang hatte man geglaubt, dass die Venus eine andere Welt zur Erde ist. Da sie näher bei der Sonne liegt, glaubte man, dass es dort immer tropisch warm sein müsse. Unter ihrer dichten Wolkendecke, so vermutete man, war bestimmt eine wunderbare Welt zu entdecken. Als aber die ersten Daten einliefen, war der Schock groß. Die Illusion von einer schöneren und besseren Welt war mit einem Schlag weggefegt. Die Messergebnisse sagten, dass die Venus eine rund 60 km hohe Wolkenschicht hatte und sie an der Oberfläche über 400° heiß sein müsse.
Fünf Jahre später schickten die Amerikaner wieder eine Sonde zur Venus. Es war Mariner 5. Das wichtigste Ergebnis dieser Mission war ein grobes Druckprofil der Venusatmosphäre. Daraus schlossen sie, dass am Boden ein Luftdruck von 90 Bar herrschen müsse. Das ist der Druck, wie er in 900 Metern unterm Meer herrscht. Von da an war das amerikanische Interesse an unserem Schwesterplaneten erloschen. In Moskau wurden die amerikanischen Ergebnisse als unrealistisch eingestuft und verworfen. Doch diese Annahme sollte sich bei den nächsten sowjetischen Sonden noch bitter rächen.
© 2010 Alexander von Behaim Schwartzbach