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Buran, der Schneesturm aus der Steppe
Am 15. November 1988 landete in Baikonur in Kasachstan das russische Space Shuttle, „Buran“, was Schneesturm heißt. Wer die Landung im Fernsehen gesehen hatte, rieb sich die Augen, denn der russische Raumgleiter sah der amerikanischen Raumfähre zum Verwechseln ähnlich. Man hätte glauben mögen, dass der KGB da etwas nachgeholfen hatte, aber Buran funktioniert technisch völlig anders, als sein amerikanisches Pendant.
Im Gegensatz zum amerikanischen Spaceshuttle hatte die sowjetische Raumfähre kein eigenes Haupttriebwerk. Beim russischen Modell lieferte die Energija-Trägerrakete den gesamten Schub. Den russischen Ingenieuren war es allerdings nicht gelungen, ein lebenserhaltendes System im Cockpit einzubauen, weswegen es nicht von Piloten gesteuert wurde. Die Sowjets lösten jedoch dieses Problem auf typisch russische Art, in dem sie die Raumfähre ferngesteuert unbemannt fliegen ließen.
Niemand im Westen ahnte damals, dass das Sowjetimperium sich diese Hochtechnologie schon längst nicht mehr leisten konnte. Heute wissen wir, dass die Sowjetunion wirtschaftlich bereits im Koma lag. Der letzte kommunistische Generalsekretär, Michael Gorbatschow, versuchte vergebens den Kommunismus durch eine Notbehandlung mit Glasnost und Perestrojka zu retten, doch dem sowjetischen Koloss war nicht mehr zu helfen. Er verstarb, als am 5. September 1991 als der Kongress der Volksdeputierten die Umwandlung der UdSSR in einen obskuren föderalistischen „Bund unabhängiger Republiken“ (GUS) beschloss. Die offizielle Gründung der GUS erfolgte am 21. Dezember 1991, doch Boris Jelzin ließ pünktlich am letzten Tag des Jahres 1991 die rote Fahne mit Hammer und Sichel vom Dach des Kremls herunterholen und ersetzte sie mit der zaristischen Trikolore weiß – blau und rot. Die Sowjetunion hatte nach 74 Jahren aufgehört zu existieren.
Für die russische Raumfahrt war der Zusammenbruch der UdSSR eine einzige Katastrophe. Noch zu Sowjetzeiten, am 18. Mai 1991, war der Kosmonaut Sergei Krikaljow, zur Weltraumstation MIR geflogen war, kehrte am 25. März 1992 in ein neues Land zurück, das nun Russische Föderation hieß. Die Sowjetunion existierte nicht mehr. Kein übliches Empfangskomitee wartete in der kasachischen Steppe auf den verdienten Genossen Kosmonauten, der fast ein ganzes Jahr im All verbracht hatte. Krikaljow war daher der letzte Sowjetbürger. Und das wäre doch bestimmt ein Glas Wodka wert? Nasdrowje i do swidanja Sowjetski Sojus.
© 2011 Alexander von Behaim-Schwartzbach