Archiv

Die Raketentechnik des Mr. Goddard

Der amerikanische Physiker Robert H. Goddard war der erste Mensch, dem es gelang, eine Rakete mit Flüssigkeitstreibstoff zu starten, was die Grundvorrausetzung für die Raumfahrt ist. Goddard wurde am 5. Oktober 1882 in dem Worcester [wuster], im Bundesstaat Massachusetts geboren. Genau wie der deutsche Raketenpionier Hermann Oberth aus Siebenbürgen, wurde Goddard als Kind von den Science-Fiction-Romanen H.G. Wells und Jules Verne vom „Raketenvirus“ angesteckt. Goddard wollte in seinem Leben nur Raketen konstruieren, die zu anderen Planeten fliegen würden. Deshalb studierte er Physik an der Clark-University in seiner Heimatstadt Worcester und schloss sein Studium mit einer Promotion ab.

Goddard

Da Goddard ein begabter Student war, blieb er an dieser Universität als Dozent für Physik. Als Student hatte er berechnet, dass nur Raketen mit Flüssigkeitsantrieb genügend Geschwindigkeit erreichen würden, um die Erdanziehungskraft zu überwinden. Die Antriebskraft von Feststoffraketen war dafür viel zu schwach. Sie taugten nur als Kriegswaffen, also als ballistische Geschosse, Flugabwehrraketen oder als Raketen, die von Flugzeugen abgefeuert werden konnten.

Da der junge Universitätsdozent sich mit seinem Gehalt keine teure Raketenforschung leisten konnte, setzte er seine Forschungen bei der US-Army fort. Seine Raketen wurden jedoch im Ersten Weltkrieg nie eingesetzt. Bei der Armee entwickelte er eine panzerbrechende Waffe, die „Bazooka“. Doch Goddards Interesse waren die leistungsfähigeren Raketen mit Flüssigkeitsantrieb. Allerdings interessierte sich niemand in der Armee für diese Technik, da Feststoffraketen viel einfacher zu handhaben waren, was in einem Gefecht sehr wichtig war. Der wichtigste Teil einer Rakete mit flüssigem Treibstoff ist die Raketendüse, welche er auf einem Triebwerkprüfstand testete. So konnte er technische Mängel sofort erkennen.

Bei jedem Testversuch eines Raketentriebwerks entstand ein infernalischer Lärm, der die Bauern zu Tode erschreckte. Prompt bekam Goddard Probleme mit den Behörden und musste alle seine Tests einstellen. Einige Zeitungen berichteten von seinen Versuchen. So erfuhr auch der weltberühmte Pilot Charles Lindbergh von diesen Testflügen. Lindbergh gelang es sogar, den Krösus Daniel Guggenheim für Goddards Raketenversuche zu interessieren. Da Goddard seine Raketen in Massachusetts nicht mehr testen durfte, zog er zu einer Cousine, auf deren Farmgelände er mit seinenTestflügen weitermachen durfte. Seine fünfte Rakete flog 610 m hoch und erreichte eine Geschwindigkeit von 800 km/h. Die nächste Rakete hatte bereits Messinstrumente und eine Kamera an Bord. Seine letzte Rakete stieg über eine Meile hoch in die Luft. Leider interessierten sich nur wenige Menschen für Goddards Forschungen. In der Presse hieß er „Mond-Mann“, denn niemand konnte sich vorstellen, dass es einmal möglich sein würde, den Mond mit einer Rakete zu erreichen.

 

Wissen kompakt

Skizze

Raketentechnik: Die ersten Flüssigkeitsraketen

  • Der erste erfolgreiche Raketenstart fand am 16. März 1926 statt. Obwohl das Triebwerk nur für 2,5 Sekunden funktionierte und dabei 14 m hoch und 50 m weit flog, war Goddard überzeugt, dass seine Raketenträume irgendwann doch Wirklichkeit werden würden. Erhatte bereits 10 Jahre vor den deutschen Raketenpionieren seine erste Rakete mit Flüssigkeitstreibstoff gestartet.
  • Am 17. Juli 1929 startete er die erste Forschungsrakete mit einer wissenschaftlichen Nutzlast. An Bord waren ein Barometer, ein Thermometer und eine Kamera. Die Rakete flog allerdings nur 27 Meter hoch und sah noch merkwürdig aus. Mit unserer Vorstellung einer Rakete hatte die allerdings noch wenig gemein. In einem Rahmen befand sich in der Spitze das Düsentriebwerk, während sich im unteren Teil der Sauerstoff- und Brennstofftank befanden. In den heutigen Raketen ist diese Anordnung aber genau umgekehrt: oberhalb der Raketendüse befinden sich die beiden Tanks. Doch sind Raketen genau nach diesem technischen Prinzip gebaut. Um eine Rakete im Flug zu stabilisieren, konstruierte er ein Kreiselgerät und Ruder.
  • Seine nächste Rakete erreichte eine Flughöhe von 3.000 Metern und war fast so schnell wie der Schall. Zur gleichen Zeit begannen deutsche Raketenenthusiasten, das war Wernher von Braun, Hermann Oberth und der raketenbegeisterte Artellerist Hauptmann Walter Dornberger mit ihren Forschungen tief in den Kiefernwäldern von Kummersdorf beim Berlin – daraus entwickelten sie die V2. Da sich in Amerika niemand für Goddards Raketenspielereien interessierte, wurde die amerikanische Raketentechnik von den Deutschen schon 1934 überholt.
  • Als nach dem 2. Weltkrieg die Raketentechnik von den deutschen Raketenspezialisten in Amerika weiterentwickelt wurde, war den Amerikanern klar, dass sie die Anfänge des Raketenzeitalters verschlafen hatten. Erst als Russland den ersten Satelliten in eine Erdumlaufbahn schoss, bemerkten die Amerikaner, dass sie mit den Russen unbedingt gleichziehen mussten.
  • 1959 gründete man das National Space Science Data Center, das den Namen: Goddard Space Flight Center erhielt – eine späte Anerkennung, die Goddard nicht mehr erlebte. Er starb 1945 an einer missglückten Halsoperation. Wernher von Braun, der vom „ardent Nazi“  (ardent : leidenschaftlich) zum harmlosen „Mitläufer“ heruntergestuft wurde, ließ Amerika das Rennen um die erste Mondlandung gewinnen.

© 2011 Alexander von Behaim-Schwartzbach