Archiv

Die Kunst zu überleben

Dies ist der Schädel von Dunkleosteus, einem Panzerfisch aus dem Oberen Devon. Dieser Alptraum wurde bis zu 10 Meter lang und war eine perfekte Killermaschine. Ausgewachsen war sein Schädel mannshoch und durch viele Panzerknochen bewehrt. In der Geschichte des Lebens waren solche Räuber wichtige Schrittmacher für die Weiterentwicklung der Tiere. Es waren diese Ungeheuer, die der Evolution eine Richtung gaben. Fische, denen es nicht gelang, sich vor den Räubern rechtzeitig in Sicherheit zu bringen, hatten schlechte Karten im gnadenlosen Spiel der Evolution; sie wurden rasch gefressen. Wenn es ihnen jedoch gelang, die eigenen Gene noch vor dem Gefressenwerden weiterzugeben, hatten sie ihre Rolle im Lebensspiel erfolgreich zu Ende gespielt.

Panzerfisch

Die Natur entwickelte im Laufe der Zeit erstaunliche Überlebensstrategien. Wem es gelang, unsichtbar zu bleiben, der blieb auch länger am Leben. Die wirkungsvollste Strategie war: nur nicht auffallen. Die Tiere entwickelten Tarnfarben oder sie waren durchsichtig wie Glas. Selbst aufmerksam herumstreifende Räuber übersahen daher gelegentlich eine leckere Malzeit. Wenn die Tarnung jedoch noch unvollkommen war, musste nachgebessert werden oder man wurde eben doch gesehen und gefressen. Die Nachkommen der Tiere, deren Tarnung am besten geglückt war, überlebten länger und die besseren Erbeigenschaften konnten an die neue Generation weiter-gegeben werden. Platte Fische, ob horizontal oder vertikal, entgehen den Räubern, indem sie sich schnell in eine Felsspalte verdrücken oder sich als Plattfisch in den Sand eingraben. Letztere Strategie ist auch deshalb besser, weil man auf diese Art selbst noch etwas Beute machen kann.

Korallenfische

Die Korallenwelt ist buntKnallbunte Korallenfische scheinen überhaupt nicht in dieses Evolutionsschema zu passen. Viele Korallenfische sind auffällig rot gefärbt. Man könnte vermuten, dass sie von ihren Fressfeinden auf keinen Fall zu übersehen sind. Doch hier hält die Natur eine Überraschung bereit. Die rotgefärbten Fische sind ausschließlich nachtaktiv, oder solche, die in dunklen Höhlen leben. Man weiß aber, das Wasser vom Licht zuerst rot absorbiert. Rote Fische erscheinen daher bei fehlendem Licht grau-blau. Für nachtaktive Fische ist rot daher eine wirkungsvolle Tarnung, denn grau-blaue Fische werde im gleichfarbenen Hintergrund fast unsichtbar.

Es gibt viele Fischarten, die sehr bunt und sehr giftig sind. Ihre Farbigkeit signalisiert: friss mich ja nicht, denn ich bin giftig. Einige Fische machen sich diese Strategie zu nutze. Sie haben sich in ihrem Aussehen den giftigen Arten so perfekt angepasst, weswegen sie auf den ersten Blick sich nicht von der gefährlichen Variante unterscheiden. Sie werden deshalb von ihren Freßfeinden verschont, wenn diese schon einmal eine unangenehme Erfahrung mit der giftigen Variante gemacht haben. Diese Hochstapelei heißt Mimikry.

Wissen kompakt

  • Dunkleosteus war ein gewaltiger Raubfisch, der im Oberen Devon vor 370 Millionen Jahren lebte. Ausgewachsen erreichte er eine Länge von ca. 10 m. Solche Raubfische waren wichtige Schrittmacher der Evolution. Die Beute hatte nur eine Chance zu überleben, wenn sie wirkungsvolle Abwehrmechanismen entwickelte.
  • Mimikry, englisch mimic [aus dem Griechischen : "der Nachahmung fähig"] ist die Nachahmung von gefährlichen, giftigen oder ungenießbaren Arten um selbst nicht gefressen zu werden. Tiere, die giftig sind oder schlecht schmecken werden gern nachgeahmt. Hat ein Räuber mit einer Beute schlechte Erfahrungen gemacht, wird er diese Beute in Zukunft meiden. Viele harmlose Schwebefliegenarten ahmen gerne Wespen und Bienen nach. Man nennt dies auch Abwehr durch Scheinwarntrachten. Der Hornissenschwärmer Trochilium apiforme ahmt im Aussehen Hornissen nach und wird deshalb gemieden.
  • Mimikry wurde 1862 von dem britischen Naturforscher Henry Walter Bates entdeckt. Er fand im brasilianischen Urwald zwei ähnlich gezeichnete Schmetterlinge, von denen eine Art giftig war. Der andere Schmetterling war ungiftig, wurde aber wegen seiner Zeichnung gemieden. Mimikry zeigt das Prinzip der natürlichen Selektion, das Charles Darwin formuliert hat. Alle Schmetterlinge, die einer giftigen Art unvollkommen ähneln, werden gefressen.
  • Bei der Peckham'schen Form der Mimikri werden andere Tiere nicht abgeschreckt, sondern angelockt. Manche Orchideenblüten ahmen Insektenweibchen nach. Insektenmännchen versuchen das vermeintliche Weibchen zu begatten und befruchten ungewollt die Blüte. Seeteufel besitzen einen wurmförmigen Hautfortsatz, mit dem sie kleinen Fischen eine Beute vorgaukeln anlocken.

Bild Dunkleosteus: Stephen M. Stanley, Historische Geologie S.353

© Alexander von Behaim-Schwartzbach