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Leben auf der Venus?
Unorthodoxe Gedanken haben unser Denken stets weiter gebracht. Schon die Vorstellung scheint pure Ketzerei: Leben auf der Venus? Die Umweltfaktoren auf der Venus sind doch schon lange bekannt. Nichts auf diesem Planeten spricht für eine Möglichkeit für Leben. Luftdruck: 90 Bar (=9 MPa - Druck in 900 m Wassertiefe). Oberflächentemperatur: +480°C. Kohlendioxid-Atmosphäre mit Schwefelsäureanteilen: pH-Wert 0 wie Batteriesäure. Auf der Erde gibt es nur wenige Lebensformen, die in solch saurem Milieu überleben können. Da die Venus näher bei der Sonne steht, ist ihre Strahlungsintensität absolut tödlich. Auf dem ersten Blick ist die Venus wohl kein Kandidat als möglicher Lebensträger.
Der Astrobiologe Dirk Schulze-Makuch hat verschiedene Hinweise gesammelt, dass ein Leben auf der Venus absolut nicht chancenlos ist. Schulze-Makuch fiel auf, dass viele Messdaten der Venussonden keinen Sinn machen. Erstens: Die Einstrahlung der Sonne und die vielen Blitze erzeugen auf der Venus Kohlenmonoxid. Man fand aber in der Venusatmosphäre viel weniger als erwartet. Das lässt den Schluss zu, dass Mikroorganismen ihn wieder abgebaut haben. Zweitens: In der Venusatmosphäre kommen Schwefelwasserstoff wie auch Schwefeldioxid vor. Diese beiden Moleküle reagieren miteinander, was bedeutet, dass sie gar nicht nebeneinander vorkommen dürften - es sei denn, sie werden von Mikroorganismen ständig wieder neu produziert. Drittens - und das ist besonders mysteriös: das Vorhandensein von Carbonylsulfid (OCS). Dieses Molekül entsteht kaum auf anorganischem Weg und gilt daher bei Biologen als Hinweis auf biologische Aktivität. Viertens: Die amerikanische Sonde Pioneer Venus-2 registrierte bei ihrem Abstieg durch die Venus Atmosphäre Partikel in Bakteriengröße. Die dunklen Flecken auf dem UV-Bild geben auch zu denken. Es könnte sich um UV-absorbierende Mikroorganismen handeln, die als schwarze Schlieren durch die Venusatmosphäre ziehe. Das Venusprojekt "Venus Express" der Europäischen Weltraum Organisation soll Licht in das Dunkel bringen. Allerdings soll nicht unterschlagen werden, dass die Indizien für biologische Aktivitäten auch anders erklärt werden können. Die vier Indizien machen es aber schwer, an Zufälle zu glauben. Licht in die Ungereimtheiten sollen künftige Venusprojekte bringen.
Man vermutet, dass früher die Umweltbedingungen auf der Venus ähnlich wie auf der Erde waren. Irgend wann geriet aber das Klima außer Kontrolle. Als der Treibhauseffekt die Venus immer mehr aufheizte und die Atmosphäre immer schwerer wurde, bekamen die Mikroorganismen immer mehr Auftrieb und sie stiegen immer höher in die Atmosphäre. In 50 km Höhe sind die Lebensbedingungen mit +70°C für das Leben gar nicht mehr so schlecht. Der Luftdruck in dieser Höhe entspricht dort dem irdischen Luftdruck. Hier befindet sich auch genügend Wasserdampf - die Grundlage für Leben. Der Astrobiologe Dirk Schulze-Makuch (University of Texas) vermutet in den schwarzen Schlieren sogar UV-Licht-absorbierende Bakterien.
Wissen kompakt
Umweltbedingungen auf der Venus
- Die Oberflächentemperatur auf der Venus: +480°C. Luftdruck am Boden: 90 Bar (=9 MPa) - das entspricht einer Wassertiefe von 900 m.
- Atmosphäre: 96% Kohlendioxid (CO2 ), Stricksoff (N2) und Wasserdampf. Zusätzlich enthält die Atmosphäre Schwefelverbindungen. Durch den hohen Anteil von Kohlendioxid in der Atmosphäre besitzt die Venus ein Treibhausklima, das die Atmosphäre auf +480°C aufgeheizt hat.
- Die stark ätzende Schwefelsäure und die hohe Temperatur haben den Sonden so zugesetzt, dass sie nur etwa eine Stunde überlebten.
Hinweise für Leben
- Es ist daher unsinnig, Leben in Bodennähe auf der Venus zu vermuten. Es gibt verschiedene Indizien, die auf biologische Aktivitäten deuten: Die Einstrahlung der Sonne und die ständigen elektrischen Entladungen müssen große Mengen an Kohlenmonoxid produzieren.
- Messungen haben ergeben, dass die Venusatmosphäre zu wenig CO enthält. Mikroorganismen könnten es abgebaut haben.
- In der Venusatmosphäre befinden sich Schwefelwasserstoff als auch Schwefeldioxid. Da Schwefelwasserstoff und Schwefeldioxid miteinander zu Schwefel und Wasser reagieren, müssen sie ständig neu produziert werden - z. B. durch Mikroorganismen.
- Besonders rätselhaft ist das Vorhandensein von Carbonylsulfid. Carbonylsulfid kann nur sehr schwer unter anorganischen Bedingungen entstehen und ist daher ein starkes Indiz für biologische Aktivität.
- Beim Abstieg von Pioneer Venus-2 wurden bakteriengroße Partikel in der Atmosphäre registriert.
Wie das Leben auf der Venus entstanden sein könnte
- Panspermie: Die Lebenskeime reisen in Asteroiden und Kometen durchs Sonnensystem.
- Das Leben könnte auf der Venus durch physikalisch-chemische Prozesse entstehen. Früher existierten erdähnliche Zustände, also perfekte Lebensräume.
- Kann das Leben in den Säurewolken überleben? Die Venuswolken haben einen pH-Wert von 0, sind also sehr sauer. Zur Erinnerung: pH 0-6 liegt in sauren Bereich. pH 7 ist neutral (z.B. Wasser). pH 8-14 ist alkalisch (z.B. Natronlauge).
- Auf der Erde gibt es nur wenige Organismen, die unter diesen Bedingungen überleben können, z.B. Ferroplasma acidarmanus. Auch wenn die Venuswolken sehr sauer sind, wird die Säure durch Wasserdampf in 50 km Höhe stark verdünnt.
- Nischen für Leben: In 50 km Höhe sind die Bedingungen für Leben gar nicht so schlecht. Die Temperatur ist auf etwa +70°C gesunken. Der Luftdruck in dieser Höhe entspricht etwa dem Luftdruck auf der Erde.
2010 © Alexander von Behaim-Schwartzbach