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Das Lunik-Programm
Natürlich war es den Amerikanern klar, dass die Russen alles versuchten, um vor ihnen auf dem Mond zu sein. In den frühen 60er Jahren des 20. Jh. glaubte man in Amerika wie in der Sowjetunion an die Doktrin (1), dass die Nation, die den erdnahen Weltraum oder sogar den Mond beherrscht, auch die Erde beherrschen wird. Diese Annahme ist natürlich blanker Unsinn. Die wenigsten Doktrinen haben sich übrigens je erfüllt.
Das russische Mondprogramm begann mit der Lunik-Serie. Lunik-1 war die erste "Kosmische Rakete", die das Schwerefeld der Erde verließ, den Mond aber verfehlte. Dadurch gelangte die Sonde in eine Umlaufbahn um die Sonne. Ende der 50er Jahre des 20. Jh. besaß man noch keine Raketen, mit denen man eine Flugbahn hätte korrigieren können. Man war gezwungen, den Mond punktgenau zu treffen. Bei einer Entfernung des Mondes von 384.000 km wirken sich aber kleine Abweichungen in der Geschwindigkeit gleich zu mehreren tausend Kilometern aus. Lunik-1 verfehlte auch prompt den Mond. Die Russen waren aber schon immer Meister der Propaganda. Aus dem unbeabsichtigten Fehlschuss machten sie flugs den ersten von Menschen gebauten Satelliten, der die Sonne umkreist. Slawa sowjetskaja nauka - Ruhm der sowjetischen Wissenschaft.
Schon 1958 hatte man versucht, den Mond mit einer Rakete zu erreichen. Doch es gab hintereinander gleich drei Fehlstarts. Als im Januar 1959 Lunik-4 endlich im All verschwand, ging die Sonde als "Lunik-1" in die Raumfahrtgeschichte ein. Heute weiß man, dass die Sowjets etwa so viele Fehlschläge hatten wie ihre amerikanischen Kollegen. Rechnet man alle Raketenstarts zusammen, kamen nur 1/3 aller Raketen im Weltall an. Die zweite sowjetische Rakete, Lunik-2 (Sept. 1959), schlug als erste Rakete auf dem Mond ein. An Bord hatte sie zwei Kugeln mit dem sowjetischen Emblem. Sie waren so konstruiert, dass sie auch einen Aufschlag auf dem Mond überstehen konnten. Da liegen sie noch heute.
Lunik-3 umrundete als erster Satellit den Mond und fotografierte seine Rückseite. Als die Engländer in Jodrell Bank die Signale auffingen, wunderten sie sich, dass Lunik-1 analoge Bildsignale zur Erde schickte. Da man in England nur Bilder in digitaler Technik empfangen konnte, konnte man die Signale nicht verarbeiten. Im ersten Augenblick waren die Wissenschaftler ratlos, doch dann kam man auf die clevere Idee, die Signale mit einem Teleprinter auszudrucken - und tatsächlich kam das komplette Photo von der Rückseite des Mondes aus dem Drucker. Noch am gleichen Tag veröffentlichten englische Abendzeitungen die ersten Bilder von der Rückseite des Mondes - Stunden bevor die Bilder in der Prawda oder Iswestija erscheinen konnten. Hat da gerade jemand gelacht? In Moskau fand man das übrigens gar nicht so lustig.
1) Doktrin:Auf einer Ideologie beruhende offizielle Meinung
© 2010 Alexander von Behaim-Schwartzbach