Archiv

Wie das sowjetische Raketenprogramm begann

300 km von Moskau entfernt, liegt das Nilow-Kloster idyllisch auf einer Insel im Seligersee. 1927 wurde das Kloster von der sowjetischen Regierung geschlossen. Von 1929 bis 1939 wurde es als Arbeitslager für Jugendliche genutzt, die das Pech hatten, der sowjetischen Justiz in die Hände zu fallen. Nach dem Hitler-Stalin-Pakt wurde fast die gesamte polnische Intelligenzija hier interniert und später in den Wäldern von Katyn erschossen.

Kloster Nilow

Von 1946 bis 1955 befand sich hier das Geheimprojekt der sowjetischen Raketenentwicklung. Hier lebten die deutschen Raketeningenieure mit ihren Familien. Der bedeutendste war Helmut Gröttrup, der Assistent Wernher von Brauns in Peenemünde. Hier entwickelte Koroljow seine R-7, die erste Interkontinentalrakete, mit der er den ersten Satelliten ins All schoss. Auch der erste Mensch im Weltall, Juri Gagarin, flog mit diesem Raketentyp. Anders als die Amerikaner, die die wichtigsten deutschen Raketenspezialisten mit der Operation „OVERCAST“ in die USA brachten und mit der Operation „PAPERCLIP“ einbürgerten, schöpfte Koroljow nur deren Wissen ab. Als die Sowjets alles wussten, wurden die Deutschen wieder nach Hause geschickt. Jetzt konnten die Sowjets eine eigene Raumfahrt entwickeln.

Im Dezember 1960 erlitt Koroljow seinen ersten Herzinfarkt, dem noch weitere folgten. In den nächsten Jahren verschlechterte sich sein Gesundheitszustand zunehmend. Bei einer Untersuchung entdeckten die Ärzte einen großen Tumor im Dickdarm — Sergej Koroljow hatte Krebs. Eine Woche später erlag der geniale Koroljow seinem Krebsleiden. Mit der Beisetzung seiner Urne an der Kremlmauer ehrte ihn das damalige Regime. Sein Tod war ein herber Rückschlag für das sowjetische Mondprogramm.

Koroljows Stellvertreter Wassili Pawlowitsch Mischin wurde sein Nachfolger, doch gelang es ihm nicht, den Wettlauf zum Mond gegen die Amerikaner zu gewinnen. Als er am 3. Juli 1969 die Sowjetische Mondrakete N-1 starten wollte, explodierte diese und verletzte ihn schwer. 20 Jahre wurde der Unfall geheim gehalten. Für seine Arbeit am russischen Raketenprogramm wurde ihm der Orden „Held der sozialistischen Arbeit“ verliehen. Diesen Titel erhielten nur Personen, die sich durch herausragende Leistungen um die wirtschaftliche Entwicklung der UdSSR verdient gemacht hatten. Es war eine der höchsten Auszeichnungen des Landes. Mischin wurde 1974 von Walentin Petrovitsch Gluschko abgelöst.

© 2011 Alexander von Behaim Schwartzbach