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Die Grundausrüstung für Neueinsteiger
"Das beste Fernrohr ist das, welches man am häufigsten nutzt!"
Gehören Sie auch zu denjenigen Amateurastronomen, die in jeder klaren Nacht wenigstens einen kurzen Blick auf den Sternhimmel werfen? Zwischen Februar und Mitte Juni 2003 weist mein Beobachtungsbuch 28 eingetragene Beobachtungsabende auf, was sicher ziemlich viel ist. Beobachtet wird dabei alles, was sich am Himmel tummelt: Sonne, Mond, Planeten, Deep-Sky-Objekte, Satelliten.
Die beiden Sternhaufen h und Chi: Anblick im Großfernglas
Mein Instrumentarium reicht vom Fernglas über ein 8" Schmidt-Cassegrain mit einem 3,5" Apochromat auf einer teuren Montierung bis hin zum 14" Dobson. Erfreulicherweise ist hier in der Umgebung von Ravensburg trotz aller Lichtverschmutzung der Sternhimmel noch relativ gut. Visuell erreicht man, wenn es klar ist, im Zenith eine Grenzgröße von 4,5 - 5,5mag. Die große Zahl von Beobachtungsabenden kommt aber nur zu Stande, weil der damit verbundene Aufwand gering ist, d.h. man braucht bloß die Tür zu öffnen und alles in den Garten tragen...Der oben zitierte Satz erfährt hierdurch eine Relativierung:
"Das beste Fernrohr ist das bequemste Fernrohr...!?"
Nun gibt es da noch so eine Weisheit, die zu berücksichtigen ist:
"Jedes Fernrohr hat seinen Himmel!".
Was muss eine astronomische Ausrüstung eigentlich leisten? Sie soll häufig genutzt werden, der organisatorische Aufwand soll gering sein und man soll alles sehen können. Damit wären wir bei der zentralen Frage: "Gibt es eine astronomische Grundausrüstung?" Ich versuche das einmal näher zu definieren, wohl wissend, dass mir viele Sternfreunde widersprechen werden (bitte schickt mir eine eMail mit euren Argumenten).
Anforderungen an eine astronomische Grundausrüstung
Die Ausrüstung soll...
- ...wenig Platz beanspruchen
- ...schnell aufzubauen sein
- ...erschwinglich sein
- ...vielseitig nutzbar sein
- ...alle grundlegenden Phänomene zeigen
- ...bequem und einfach handhabbar sein
- ...mehreren Beobachtern gerecht werden
Die Ausrüstung soll folgende Beobachtungen ermöglichen:
- ...Orientierung am Sternhimmel
- ...Beobachtung der Sonne (Sonnenflecken)
- ...Mondbeobachtung (Krater, Mare, Gebirge)
- ...Planetenbeobachtung (Jupitermonde, Wolkenstreifen, Saturnringe)
- ...Offene Sternhaufen, Kugelsternhaufen
- ...Gasnebel, Planetarische Nebel
- ...Doppelsterne
- ...Milchstraße und andere große Strukturen
- ...helle Galaxien
- ...Satelliten
- ...Kometen und Meteore
Die Grundausrüstung: Fernglas, Sternkarte, Stativ.
Vier Vorschläge für Neueinsteiger
Die Preise dienen nur zur groben Orientierung und beziehen sich auf den Geräteneuwert. Sie können billiger und teurer einkaufen. Aber geben Sie acht: Wenn die Qualität zu gering wird, haben Sie bei der nächtlichen Beobachtungspraxis keine Freude mehr daran.
Erster Vorschlag: Einstieg in die Astronomie (500-1000 Euro)
- Eine gute Sternkarte
- Ein gutes Fernglas 7x50, 8x56, 10x50
Ferngläser haben den Vorteil hoher Verfügbarkeit. Sie sind damit nicht auf die Astronomie festgelegt. Die geringe Vergrößerung macht die Instrumente freihändig nutzbar. Hiermit können Sie ab 500 Euro eine Ausrüstung erhalten, die Ihnen einen hervorragenden Einstieg in die Astronomie ermöglicht. Insbesondere ist eine grundlegende Orientierung möglich. Sie erschließen sich mit den Geräten folgende Objekte: Mondbeobachtung, offene Sternhaufen, Kugelsternhaufen, Gasnebel, Milchstraße, Sternfelder.
Zweiter Vorschlag: Vollständige Orientierung am Himmel (+1100 Euro)
- Ein Großfernglas oder ein Spektiv
- Ein geeignetes Stativ
Mit einem Großfernglas wie z.B. dem Fujinon 16x70 sehen Sie alle Sterne, die in der Uranometria katalogisiert sind. Sie können dann über "Starhopping" viele Galaxien und manche planetarischen Nebel als schwache Lichtflecke am Himmel finden. Mit so einem optischen Gerät kann man (fast) alle Messier-Objekte finden. Der Vorteil des Fernglases liegt wiederum darin, dass Sie sich nicht nur auf die Astronomie festlegen. Zudem werden Sie das aufrechte und seitenrichtige Bild zu schätzen wissen. Ohne Stativ geht es aber nicht mehr. Wenn Sie sich für ein Spektiv (mit monokularem Einblick) guter Qualität entscheiden, kommen Sie mit der genannten Summe nicht mehr aus und benötigen etwa das Doppelte. Die folgende Abbildung zeigt Ihnen eine Grundausrüstung, bestehend aus den Feldstechern Fujinon 7x50 und 16x70, einem Stativ von Berlebach, einem Manfrotto "Joystick", einem Adapter für die Ferngläser, Nebelfilter und der Uranometria.
Man kann alles noch in einen kleinen Aluminiumkoffer packen. Die Ausrüstung ist sehr leistungsfähig und zeigt vieles, was Sie in einem größeren Teleskop nicht (!) sehen. Es passt alles hinein! Die fertig gepackte Ausrüstung gemäß obiger Darstellung bringt insgesamt 13 kg auf die Waage, ist also noch ohne große Probleme transportierbar, zumal man nur zwei Gepäckstücke hat. Zu Hause lässt sich das Ganze ziemlich einfach unterbringen. Am Beobachtungsort ist man sofort einsatzbereit. Man sollte aber bedenken, dass man u.U. noch eine leichte Sitz- oder Liegegelegenheit mitnehmen muß. Großfernglas und Spektiv eignen sich auch für die Tier- und Naturbeobachtung am Tage und in der Dämmerung. Der Vergrößerungsbereich zwischen 10x und 30x wird meist von astronomischen Teleskopen nicht abgedeckt und es gibt viele Objekte, die hier ihren größten Reiz entfalten. Neben den Objekten aus dem ersten Vorschlag erschließen Sie sich hier zusätzlich: Viele Galaxien, helle planetarische Nebel und die Jupitermonde.
Alles bereit für die Exkursion zu den Sternen.
Dritter Vorschlag: Die Alternative - Ein Teleskop (1500-2000 Euro)
- Ein Teleskop mit mindestens 80 mm Öffnung
- Eine nachführbare Montierung
Es gibt heute Instrumente, die Ihnen die Objekte einstellen und nachführen. Hauptsächlich gewinnen Sie aber die Möglichkeit höhere Vergrößerungen anzuwenden, was bei der Planetenbeobachtung, bei Sonne und Mond, sowie Kugelsternhaufen, Doppelsternen und planetarischen Nebeln wichtig ist. Man erschließt sich hiermit die Wolkenstreifen des Jupiters und die Saturnringe. Aber seien Sie gewarnt: 80mm Öffnung sind Ihnen bald zu wenig und Sie werden sich nach einem lichtstärkeren Gerät umsehen, um den Beobachtungsgenuss bei Kugelsternhaufen und Galaxien zu erhöhen. Astronomische Fernrohre sind durchaus unhandlich und eignen sich nicht wirklich für terrestrische Beobachtungen. Sie liefern ein umgekehrtes Bild und die Montierung ist sperrig und schwer. Mit dem Kauf eines derartigen Instrumentes legen Sie sich fest. Beachten Sie auch, dass Sie vermutlich weniger als 30x im Jahr mit diesem Instrument beobachten werden (wetten...?). Vielleicht ist die bessere Lösung die gemeinsame Nutzung größerer Geräte im Verein: Auf jeden Fall spart man dabei viel Geld.
Wenn Sie nun den Kauf eines Teleskops erwägen, stehen Sie vor der schwierigen Wahl einen Refraktor oder ein Spiegelteleskop zu nehmen. Falls Sie sich für den Refraktor entscheiden, kaufen Sie einen relativ lichtstarken f/6 bis f/7 Halbapochromaten (ED-System) mit etwa 80 -110mm Öffnung. Die sind gerade noch bezahlbar... Falls Sie bei der Astronomie bleiben sollten, können Sie ein derartiges Instrument immer noch als Leitrohr für ein größeres System verwenden.
Von kleinen Spiegelteleskopen möchte ich abraten. Ein 6" Schmidt-Cassegrain kann nicht mehr als ein guter 4" Halbapochromat.. Wenn Sie später mal auf größere Systeme umsteigen wollen, wissen Sie mit dem 6"-Gerät nichts mehr anzufangen. Die Welt der Spiegelteleskope fängt bei 8" an. Da liegen Sie dann für ein nachgeführtes, fotografisch geeignetes Schmidt-Cassegrain-System bei etwa 2000-3000 Euro. Vielleicht können Sie auf dem Gebrauchtmarkt ein Gerät günstig bekommen. Aber Vorsicht! Ziehen Sie erfahrene Sternfreunde zu Rate. Sie brauchen außerdem einen gewissen Hang zur Technik. Die Bedienung der hier beschriebenen Geräte ist - anders als die Hersteller das zugeben werden - durchaus nicht einfach.
Vierter Vorschlag: Ein Dobsonteleskop (500-1000 Euro)
Empfehlenswert ist ein 8"-Gerät, das den besten Kompromiss zwischen Handlichkeit und optischer Leistung bietet. Diese Geräte sind schon relativ groß und sperrig und Sie sollten einen guten Plan für den Transport und die Aufbewahrung haben. Zudem müssen Sie sich am Sternhimmel schon ganz gut auskennen um die Objekte zu finden. Dann allerdings sind diese Newton-Teleskope für die ausschließlich visuelle Deep-Sky-Beobachtung unschlagbar. Mond, Planeten, Gasnebel, Sternhaufen, Galaxien und planetarische Nebel sind brillant sichtbar.
Ratschläge
Was soll man nun anschaffen? Realisieren Sie unbedingt den ersten Vorschlag. Ob Sie nun ihre Ausrüstung mit einem Großfeldstecher, Spektiv oder einem Teleskop weiter ausbauen, bleibt Ihnen überlassen. Ein Fernglas 16x70 sammelt gerade so viel Licht wie ein 100 mm Teleskop, verteilt es aber auf beide Augen. Der Hauptunterschied ist der Vergrößerungsbereich: Wollen Sie Sternfelder oder Einzelobjekte beobachten, möchten Sie Sonne, Mond und Planeten etwas detaillierter betrachten oder benötigen Sie das Gerät auch am Tage für z.B. ornithologische Studien?
- Beachten Sie bitte auch folgende Tipps und Fragen:
- Schreiben Sie Ihre Anforderungen auf und reden Sie mit anderen Sternfreunden darüber.
- Kaufen Sie nur Qualitätsprodukte ein, sonst verlieren Sie schnell die Freude an diesem Hobby.
- Achten Sie auf eine gute Montierung, bzw ein gutes Stativ.
- Von welchem Beobachtungsort wollen Sie Ihr Hobby betreiben? Ein Fenster oder Balkon in einer Stadtwohnung hat andere Anforderungen als ein Garten.
- Berücksichtigen Sie die durchschnittliche Qualität Ihres Beobachtungsstandorts. Platzbedarf, Aufwand und Bequemlichkeit sind wesentliche Faktoren, an die man immer zu spät denkt.
- Suchen Sie einen astronomischen Verein und engagieren Sie sich dort. Astronomie macht den meisten Spaß, wenn man in kleinen Grüppchen gemeinsam beobachtet. Vereine verfügen oft über teurere Instrumente, die genutzt werden sollen.
- Falls Sie fehlsichtig sind, sollten Sie auch dies berücksichtigen: Es gibt einige Menschen, die Probleme mit binokularem Sehen haben und die Bilder nicht zur Deckung bringen können. Oder die Augen sind sehr unterschiedlich, bzw. Sie leiden unter stärkerem Astigmatismus oder haben sehr starke Brillengläser: Dann sollten Sie genau prüfen, welches Instrument Ihren Bedürfnissen entspricht.
Wenn Sie sich dann eine Ausrüstung beschafft haben: Führen Sie ein Beobachtungsbuch. Wenn Sie erst mal einige Einträge darin haben, werden Sie dies nicht mehr missen wollen. Außerdem legen Sie sich selbst Rechenschaft über die Effizienz Ihrer Investition ab.
© 2019 Dr. Heinz J. Beister