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Das sowjetische Mondprogramm
"Auf Anweisung der Behörden ist Nikifor Nikitkin wegen aufführerischer Reden über einen Flug zum Mond in die Siedlung Baikonur verbannt worden." (Ausriss aus der Zeitung "Nachrichten des Gouvernements Moskau" 1848)
Es ist amüsant zu wissen, dass hier bei Baikonur neunzig Jahre später die erste russische Rakete zum Mond starten sollte.
Mit Vehemenz bestritten die Sowjets, jemals ein Mondprogramm besessen zu haben. Das stimmte sogar, denn sie besaßen gleich zwei davon. Das erste Programm hatte zum Ziel, einen Kosmonauten in einen Mondorbit zu schießen. Mit dem zweiten Programm wollte man einen Mann auf dem Mond landen. Der Leiter des Entwicklungsbüros für die sowjetische Mondlandung hieß Sergei P. Koroljew. Er war sozusagen das russische Pendant zu Wernher von Braun. Das Orbitalprojekt um den Mond unterstand dem Ingenieur Walentin P. Gluschko.
Zwischen Gluschko und Koroljew bestand seit den 30er Jahren ein heftiger Streit. Aufgrund von falschen Beschuldigungen hatte er, Gluschko, Koroljew in ein sowjetisches Arbeitslager gebracht. Koroljew musste daher erst aus dem Gulag geholt werden. Für den Antrieb der Mondrakete wollte Koroljew den energiereichen Wasserstoff, während Gluschko einen Treibstoff auf Hydrazin-Basis bestand. Der Streit um den richtigen Raketenantrieb wurde so heftig, dass beide zukünftig eine Zusammenarbeit verweigerten. Doch Gluschko hatte zum Kreml die besseren Kontakte. Im August 1964 beauftragte der Kreml Gluschko, eine Mondrakete zu entwickeln. Sie wurde später unter dem Namen "Proton" bekannt. Mit ihr sollte 1967, am 50. Jahrestag der bolschewistischen Oktoberrevolution, ein Kosmonaut den Mond umrunden. Nach Chrustschows Sturz im Oktober 1964 bemerkte die neue sowjetische Führung rasch, dass Gluschko nur wenig erreicht hatte. Koroljew durfte jetzt seine Mondrakete entwickeln, die N-1, die aber nie das All erreichte.
Jetzt erst wurde deutlich, dass die Amerikaner von Anfang an die bessere Strategie verfolgt hatten. Es war ihnen gelungen, die Schubleistung ihrer Raketenmotore um den Faktor drei zu erhöhen. Die Sowjets dagegen setzten auf eine Bündelung von Raketentriebwerken. Mit diesem Trick erreichten sie einfach und effektiv eine höhere Leistung ihrer Raketen. Doch dieses Konstruktionsprinzip sollte sich nun als problematisch erweisen. Für die erste Stufe der russischen Mondrakete benötigte man 30 Raketenmotore, die Amerikaner schafften es mit nur 5. Deshalb war die amerikanische Mondrakete, die Saturn V, auch erheblich leichter. Es gelang den Sowjets nie, die vielen Raketentriebwerke aufeinander abzustimmen, d.h., sie zu synchronisieren. Das führte letztlich zum Scheitern des russischen Mondprogramms.
© 2010 Alexander von Behaim-Schwartzbach