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Die Rettung der Grube Messel
Im Oberrheingraben liegt eine geologische Kostbarkeit von Weltrang - ein Fenster ins Tertiär. Es ist die Grube Messel, die etwa 10 km von Darmstadt entfernt liegt. Den Paläontologen (Zoologen für ausgestorbene Tierarten) ist natürlich die unscheinbare Grube längst bekannt. Um Haaresbreite wäre aber dieses Kronjuwel der Erdgeschichte in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts für alle Zeiten verloren gegangen. Da die Grube aus reinem Ölschiefer besteht, hätte sich vorzüglich als Sondermülldeponie geeignet.
Für die Chemische Industrie im Frankfurter Raum war dieses wasserdichte Loch, das überdies noch ganz in der Nähe lag, Gold wert. Das Unheil begann als man den Ölschieferabbau einstellte. Jetzt konnte man die Ölschiefergrube für Giftmüll nutzen, Giftmüll, der nie mit Grundwasser in Berührung kommen durfte. Sofort organisierte sich eine "Bürgerinitiative zur Verhinderung der Mülldeponie Grube Messel" und klagte gegen den Planfeststellungsbeschluss - erfolgreich übrigens. 1988 hob der Verwaltungsgerichtshof in Karlsruhe den Feststellungsbeschluss wieder auf. Da die Industrie diese Deponie für unverzichtbar hielt, startete sie einen neuen Versuch, den Sondermüll dort doch noch ablagern zu dürfen.
Die Grube Messel - ein altes Maar
Die Wissenschaftsgemeinde sah die Grube mit den wundervollsten Versteinerungen weiterhin gefährdet. Nun bekam sie von einer völlig unerwarteten Seite Hilfe: Die UNESCO erklärte die Grube Messel zum Weltnaturerbe. Damit steht die Grube Messel auf einer Stufe mit den Galagaposinseln, der Serengeti oder dem Yellowstone Nationalpark.
Im Ölschiefer findet man bunt schillernde InsektenWas wie ein überdimensionierter Abenteuerspielplatz aussieht, ist in der Tat ein unglaublicher Zufall. Die Grube Messel ist gefüllt mit Fossilien aus der frühesten Zeit des Tertiärs und gibt hervorragend Aufschluss über die Evolution der Säugetiere. Ihre Fossilien wurden in der Ölschiefergrube hervorragend konserviert. Kein anderer Fundort auf der ganzen Welt hat so viele und so gut erhaltene Fossilien. Beeindruckend an der Geschichte ist, dass Behörden die Wichtigkeit dieser Grube auch erkannt hatten und sie der Forschung bewahrt haben. Mit dem Prädikat "Weltnaturerbe" steht die Grube Messel nun unter dem besonderen Schutz der Weltgemeinschaft.
Für mich ist der Ausgang der Geschichte ein "Zeichen lebendiger Demokratie" und zeigt, dass die Politik auch zu einer Umorientierung fähig ist. Es wäre bedrückend gewesen, wenn die bedeutendste Fundstelle der Welt zu einer Sondermüllkippe verkommen wäre. Die im Messler Ölschiefer versteinerten Tiere und Pflanzen besitzen einen außerordentlich guten Erhaltungszustand und zeigen die Tiere und Pflanzen aus dem Eozän, die vor 50 Millionen Jahren im Rheingraben gelebt haben.
Wissen kompakt
- Über die Grube Messel: Im Eozän (Tertiär) war an dieser Stelle ein See. Er hatte sich in einem Maar (Vulkankrater) gebildet.
Geologie des Maarvulkans
- Die Grube Messel liegt 10 km nördlich von Darmstadt. Im 19.+20. Jh. wurde hier Ölschiefer gewonnen. Auch wurden durch den industriellen Abbau viele Fossilien vernichtet. Mittlerweile wurde der Ölschieferabbau eingestellt.
- Es stehen noch rund 110.000 m3 Ölschiefer bis in eine Tiefe von 120 m an. Aus bergtechnischen Gründen kann aber diese Tiefe für die paläontologische Forschung nicht genutzt werden.
- Fossilien der Grube Messel: Der See war im Eozän über die Dauer von einigen hundert tausend Jahren Lebensraum einer reichen Tier- und Pflanzenwelt. Damals herrschte hier ein tropisches bis subtropisches Klima.
- Viele Tier- und Pflanzenkadaver wurden durch Bäche und Flüsse in den See eingetragen. Sie sanken auf den weichen Schlick am Seegrund. Was auf den Seegrund absank, wurde nicht mehr gefressen, denn dort herrschten wegen des fehlenden Sauerstoffs lebensfeindliche Bedingungen. Die Tiere und Pflanzen verwesten nicht mehr.Diese Bedingungen bewirkten einen ungewöhnlich guten Erhaltungszustand der Fossilien Durch den besonderen Erhaltungszustand der Messeler Fossilien blieben in vielen Fällen die Kadaver vollständig erhalten.
Fossilien im Ölschiefer
- Messel ist, was die Anzahl der gefundenen Fossilien betrifft, eine der weltweit ergiebigsten Fundstellen. Obwohl die Funde sehr ergiebig sind, machen die fossilierten Tiere und Pflanzen nur höchstens 2 % des damaligen Ökosystems aus.
- Bis jetzt wurden mehrere 10.000 Individuen geborgen Zwischen 1975 bis 1986 wurden 32 fossilierte Urpferdchen gefunden. Durch die Messel-Fossile konnte die Evolution der Pferde genau rekonstruiert werden.
- UNESCO Weltnaturerbe: Messel ist das erste deutsche Welt- Naturerbe der UNESCO: Es ist damit gleichrangig mit den Galapagos-Inseln, der Serengeti und dem Yellowstone-Nationalpark. Das zeigt die überragende Bedeutung der Grube.
© 2010 Alexander von Behaim Schwartzbach